Digital Deutschland: Liebe Experten – Ihr versteht es nicht…..
In Europa gibt es viele “Experten” die uns immer erklären, wie “digital” in der Wirtschaft funktioniert – oder besser – funktionieren sollte. Ich kenne zwei Gruppen dieser “Fachleute” – die eine Gruppe schwänzelt um amerikanische Großkonzerne herum und bewundert die “Innovationskraft” von Google, Amazon oder Facebook, die andere Gruppe saugt sich “Ideen” aus den Fingern die aus ihrer jeweiligen Sicht die Zukunft bestimmen. Beide Gruppen liegen völlig falsch.
Im Fernsehen, in der Politik, in Podiumsdiskussionen oder Vorträgen hören wir immer wieder, dass Deutschland den digital Anschluss verliert. Und das ist leider wahr. Aber nicht weil es an Ideen, Innovationskraft, Kompetenz oder Erfindergeist mangelt, auch nicht unbedingt weil es Unternehmensgründern “schwer” gemacht würde (obwohl eine Unternehmensgründung und der ordnungsgemäße Betrieb einer Kapitalgesellschaft nicht gerade einfach ist).
Die “Experten” verorten die Probleme dann auch oft völlig falsch, obwohl ein Blick auf die großen US-Unternehmen eigentlich ausreichen würde, um das eigentliche Problem zu erkennen. Nein – ich meine nicht die Amazons, Googles oder Facebooks von heute – sondern die von vor 10 oder mehr Jahren. Amazon produzierte in den ersten 5 Jahren seiner Entwicklung 3 Milliarden Dollar an Verlusten. Facebook wurde in 2004 gegründet – und in 2008, nach 3 Investitionsrunden mit fast 300 Millionen Dollar an Kapital, wurde Mark Zuckerberg zitiert: “I don’t think social networks can be monetized in the same way that search did In three years from now we have to figure out what the optimum model is. But that is not our primary focus today.”
Eine Startup-Finanzierung ist in Deutschland relativ einfach zu bekommen. Das Problem dabei: Die Weichen fast aller Gründungen werden von Anfang an falsch gestellt. Im Gegensatz zu anderen Ländern erwarten hier Investoren oft einen positiven Cash-Flow mit dem Start-Up Kapital. Zugegeben – manchmal sind die Gründer auch zu optimistisch und basteln einen Businessplan, der einen “break-even” in der Startup-Phase prognostiziert. Dabei sollte es jedem Gründer wie Investor klar sein, dass man mit einer Finanzierung von ein paar hunderttausend Euro kaum von “null” zu einem ernstzunehmenden digitalen Unternehmen aufsteigen kann. Im Gegenteil blockiert die Fokussierung auf das “Geld verdienen” in der Startup-Phase das Wachstum, die Suche nach guten (und teuren) Mitarbeitern und die Innovationsphilosophie. Gründer versuchen also, sich auf der “sicheren” Seite zu bewegen, wenig(er) Geld auszugeben um somit länger durchhalten zu können.
Das kann man getrost als “be fast or be last” im Rückwärtsgang bezeichnen.
Aber selbst wenn die Gründer mit viel Energie und Einsatz einen bescheidenen Gewinn ausweisen können – in der Realität nützt das wenig bis gar nichts. Das Unternehmen ist dann schon ein paar Jahre im Markt, die Wettbewerber haben das Produkt zur Kenntnis genommen und sich entsprechend aufgestellt und das junge Unternehmen hat nicht die Mittel, aus eigener Kraft ein starkes Wachstum zu finanzieren. Also wird Wachstumskapital benötigt.
Und hier schließt sich der Kreis. Denn die ganze Arbeit des “Startups”, die Konzentration auf Betriebswirtschaft und einen positiven Cash-Flow hat nun genau das Gegenteil von dem erreicht, was Multi-Millionen Investoren sehen wollen. Das junge Unternehmen hat seine Idee und Technologie in den Markt gebracht – ohne jedoch einen signifikanten “Footprint” zu generieren, es steht im Wettbewerb mit anderen Unternehmen die mehr Geld haben und das ursprüngliche Produkt besser oder billiger anbieten, der Weg in die Zukunft ist zweifelhaft.
Unter diesen Annahmen ist die Akquisition von Wachstumskapital unwahrscheinlich. Manchmal klappt noch ein Asset-Sale bei dem, mit etwas Glück, auch für die Gründer noch ein paar Euro übrig bleiben. Meist aber endet die Geschichte hier leider mit einem Konkurs.
Das ist – vereinfacht – der problematische Hintergrund der “Startup-Szene” in Deutschland. Es ist nicht das fehlende Engagement, die Innovationskraft oder die Kompetenz der Gründerszene welche die digitale Zukunft Deutschlands blockiert. Vielmehr fehlen steuerliche Anreize um risikoreiche Finanzierungen zu belohnen.
Hoch-Risiko Investitionen in Startups müssen, wenn sie erfolgreich sind, steuerlich anders behandelt werden als andere Einnahmen. Zum Beispiel mit einem reduzierten Steuersatz für Gewinne bis zum 5-fachen Wert der Risiko-Investition. 2 Millionen Risikokapital könnten dann bis zu 10 Millionen steuer-reduzierter Einnahmen generieren – wenn das Investment erfolgreich ist.
Eine entsprechende Änderung der Steuergesetze würde ein Feuerwerk an neuen, ausreichend finanzierten Startups produzieren. Investoren würden den Fokus auf den Unternehmenswert setzen und nicht von Anfang an auf betriebswirtschaftlichen Erfolg. Ein schnelles Wachstum, das Besetzen von Märkten wäre deutlich wichtiger als eine schwarze Null.
Geld genug ist im Markt. Ideen sind genug im Markt. Wir müssen nur beide Faktoren sinnvoll zusammenbringen.
About the author:
Michaela Merz is an entrepreneur and first generation hacker. Her career started even before the Internet was available. She invented and developed a number of technologies now considered to be standard in modern web-environments. Among other things, she developed, founded, managed and sold Germany’s third largest Internet Online Service “germany.net” . She is very much active in the Internet business and enjoys “hacking” modern technologies like block chain, IoT and mobile-, voice- and web-based services.
Reduzierter Steuersatz für Gewinne, prima Idee!