Freiheit – Focus – Sicherheit
Es geht in der aufgeregten aktuellen Debatte über die Abhörmaßnahmen der NSA um das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit. Dabei überwiegt klar die Parteinahme für die Freiheit. Doch ist die Sicherheit die Voraussetzung dafür, dass Freiheit gelebt werden kann. [.. ] Schon ein gerettetes Leben, schon ein Erhalt der Unversehrtheit sind aller Anstrengungen wert – und rechtfertigen die Arbeit von Geheimdiensten.
Das schreibt die FOCUS-Online-Korrespondentin Martina Fietz in Ihrer aktuellen Kolumne . Ich frage mich, was sie uns damit sagen will? Ich widerspreche nicht, dass wir natürlich die Polizei und Geheimdienste zu unserem Schutz brauchen. Aber rechtfertigt wirklich jeder Zweck die Mittel? Müssen wir unsere Freiheit einschränken, um “sicherer” zu sein. Wo beginnt die Einschränkung unserer Freiheit und wo endet sie ?
Seit 2001, dem Jahr in welchem ein schrecklicher Anschlag in den USA rund 3000 Todesopfer forderte, hat sich weltweit die Perspektive der akzeptablen Militär- und Geheimdienstarbeit verschoben. Milliarden wurde in Überwachung investiert, Freiheitsrechte massiv eingeschränkt – mittlerweile sollen wir uns damit abfinden, als potentielle Terroristen unter Generalverdacht zu stehen. Unser gesamtes digitales Leben wird nach Spuren durchforstet, analysiert und gespeichert. Im Dienst der “Terrorismusbekämpfung” wird unsere Freiheit abgeschafft.
Seit dieser Zeit, also seit 2001, wurden in Deutschland mehr als 10000 Menschen ermordet. Nahezu 1000 Menschen sterben jedes Jahr aufgrund “normaler” Gewaltverbrechen. Geht es nach Frau Fietz, wird es dringend Zeit, Polizei und Geheimdienste mit neuen Schnüffelkompetenzen auszustatten.
Auch die fast 60000 Verkehrstoten (seit 2001) klagen an: Hätte eine drahtlose “Blackbox” mit direkter Polizeiüberwachung nicht einige Menschenleben retten können? Alleine im Jahr 2011 starben 9722 Menschen in Folge eines Sturzes. Hätte man diese Menschen einfach nur an’s Bett gefesselt, sie würden vielleicht heute noch leben. Das Handelsblatt meldet mehr als 40,000 Tote pro Jahr durch Übergewicht. Es wird dringend Zeit für eine Ernährungspolizei.
Alles nur zu unserer Sicherheit.
Wie man an den Beispielen feststellen kann, ist auch unsere Sicherheit sehr relativ. Selbst die schlimmen Folgen des Terroranschlags vom 11. September 2001 verblassen im Vergleich zu den Opfern falscher Ernährung: 400000 Menschen sterben in den USA jedes Jahr aufgrund von Übergewicht. Mit anderen Worten: Seit 2001 sind in den USA fast 5 Millionen Menschen gestorben, weil sie sich falsch ernährt haben.
Und trotzdem sehe ich keine Drohnen über Fast Food Restaurants.
Die eindrucksvollen, grausamen und traurigen Bilder der einstürzenden Zwillingstürme haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Diese Bilder hatte sicher auch Frau Fietz vor Augen, als sie ihren Artikel schrieb: Die Angehörigen der Toten des 11. September hätten die Kontrolle ihrer Kommunikationsdaten sicher gern in Kauf genommen, wenn dafür ihre Lieben noch am Leben wären.
Vielleicht. Aber einige der 10000 Mordopfer in Deutschland hätten vielleicht gerne die Freiheit gehabt, sich gegenüber dem Täter mit einer Waffe wehren zu können. Und vielleicht wäre es gar nicht zu den Anschlägen des 11. September gekommen, wenn die Menschen nicht vor dem Einstieg in das Todesflugzeug von staatlichen Sicherheitsbehörden vollständig entwaffnet worden wären.
Auch mit der vollständigen Kontrolle unsere Kommunikation, unseres digitalen Lebens, werden weiter hunderttausende von Menschen jedes Jahr umsonst sterben: Weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren, weil sie mit dem Auto oder dem Zug gefahren sind, weil sie sich über lange Zeit falsch ernährt haben, weil sie sich nicht wehren konnten und durften.
Lassen wir uns nicht von den Überwachungsregierungen dieser Welt über den Tisch ziehen. Freiheit – auch die Freiheit das Falsche zu tun, ist tausend Mal mehr Wert als eine vorgegaukelte Sicherheit, die zum Schluss nur einem Ziel dient: Den Bürger einzuschüchtern und daran zu hindern, seine Rechte wahrzunehmen und zu verteidigen.
Schon das Bundesverfassungsgericht stellte fest: […] Zumal die Speicherung und Datenverwendung nicht bemerkt werden, ist die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann […]
Ein durch Überwachung eingeschüchtertes Volk, dass seine Grundrechte nicht mehr unbefangen wahrzunehmen vermag, ist weder ein freies Volk, noch ein Demokratisches.
Wir sind auf dem Weg dorthin. Und Frau Fietz läuft vorneweg,
Danke für den Beitrag. Ich empfehle Ihnen übrigens, falls Sie den Artikel nicht kennen, diesen Link:
http://www.heise.de/tp/blogs/6/154678
Übrigens: Das Ermächtigungsgesetz hieß amtlich “Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich”. (“Art. 2. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum Gegenstand haben.”)